Bei 813.109 zugelassenen Fahrzeugen in Hamburg (lt. Statista), kam es in 2023 zu 619.500 Geschwindigkeitsüberschreitungen (NDR Online 30.1.24), die durch mobile und feste Blitzer der Polizei festgestellt wurden. Leider gehört es offenbar zum Hamburger Verkehrsalltag, dass es notorische Zuschnellfahrende gibt, die sich auch nicht durch Bußgelder, im Zweifel zeitweisen Entzug des Führerscheins, davon abhalten lassen, sich nicht an Geschwindigkeitsbeschränkungen zu halten. Wird deswegen allen Autofahrenden in Hamburg per Kollektivstrafe das Fahren untersagt?

Leider ist es auch auf dem Ohlsdorfer Friedhof täglicher Alltag, dass Besucher und Besucherinnen sowie Gewerbetreibende sich nicht an die geltende Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h halten – völlig unabhängig davon, ob die Schranke geöffnet oder geschlossen ist. Die Schranke wurde errichtet, um den Durchfahrtverkehr zu unterbinden und ist sicher nicht dazu geeignet, Geschwindigkeitsüberschreitungen zu verhindern.

Nach anfänglichen Gerüchten hat Hamburg Wasser am 28.11.2024 eine Pressemitteilung veröffentlicht, dass es auf dem Friedhof wiederholt zu Missachtungen der Verhaltensregeln gekommen ist und das Resultat daraus sein könnte, dass allen Anwohnenden zukünftig die Durchfahrt untersagt wird, obgleich dieses eine zentrale Forderung der Anwohnenden war, um einen reibungslosen Ablauf der 3,5-jähringen Baumaßnahmen von Hamburg Wasser an den Straßen Wellingsbütteler Landstraße und Wellingsbüttler Weg zu gewährleisten.

Aufgrund der Pressemitteilung von Hamburg Wasser hat das Hamburger Abendblatt am 30.11.2024 eine direkte Verbindung der Vorkommnisse zu den Bewohnern und Bewohnerinnen Klein Borstels und Wellingsbüttels hergestellt und stellt fest:

„Um den Anwohnern während der Sanierung von Wellingsbütteler Landstraße und Wellingsbüttler Weg lange Umwege zu ersparen, erlaubt der Friedhof Ohlsdorf ihnen die sonst untersagte Durchfahrt. Um den Durchgangsverkehr von dem Areal fernzuhalten, war 2020 eine Schranke aufgestellt worden. Anwohner der Baustelle dagegen haben eine Ausnahmegenehmigung für das Passieren des Friedhofs erhalten. Doch offensichtlich halten sich etliche von ihnen weder an die auf dem Gelände geltende Straßenverkehrsordnung, noch zeigen sie Respekt vor der Besonderheit des Ortes.“

Ferner wird berichtet „Uns ist sogar zu Ohren gekommen, dass schon Trauerzüge angehupt wurden.“

Wem dieses „zu Ohren gekommen“ ist, wird ebenso nicht aufgelöst, wie die Frage, wie es den Beobachtenden möglich war, die Fahrzeuge, deren Halter und Halterinnen sich ungebührlich verhalten haben, als Klein Borstler oder Wellingsbüttler zu identifizieren.

Dieses ist vor allem vor dem Hintergrund interessant, dass die Schranke täglich ab 18:00 Uhr offen steht und die Durchfahrt überhaupt nicht mehr kontrolliert wird. So war es ganz Hamburg in den Monaten August, September und Oktober (Ende Oktober Verkürzung der Öffnungszeiten auf 18:00 Uhr für die Ausgänge Richtung Sasel und Steilshoop) mehrere Stunden möglich, den Friedhof auf voller Ausdehnung zu durchfahren.

Sollten jedoch Autofahrer anhand ihrer Durchfahrtgenehmigung als Anwohnende identifiziert worden sein, wirft es die Frage auf, warum diese nicht persönlich mit Konsequenzen zu rechnen haben. Bei Beantragung der Durchfahrtgenehmigungen mussten die Halterdaten mit aufgegeben werden. Eine Kollektivstrafe für alle, weil eine kleine Minderheit sich nicht zu verhalten weiß, wäre eine völlig unangemessene Maßnahme, die sicher nicht dazu beiträgt, dass die Baumaßnahmen von Hamburg Wasser „reibungslos“ durchgeführt werden können. Klein Borstel hat in der Vergangenheit mehr als einmal seine Wehrhaftigkeit gegen Unverhältnismäßigkeiten bewiesen.

Hamburg Wasser täte gut daran, Probleme dieser Art mit den Anwohnern zu klären, statt Mitteilungen über die Presse zu lancieren. Dass das Hamburger Abendblatt in dieser Art und Weise aufsattelt, ist deren tägliches Geschäft. So wurden einfach mal die Bewohner und Bewohnerinnen Klein Borstels und Wellingsbüttel unter Generalverdacht gestellt und ihnen der “Respekt vor der Besonderheit des Ortes” abgesprochen.

Die Klein Borstler und Wellingsbüttler wohnen in unmittelbarer Nähe des Friedhofs, kennen somit wie niemand sonst die Besonderheiten dieses Ortes und sind wie niemand sonst daran interessiert, dass die 3,5-jährige Bauzeit von Hamburg Wasser „reibungslos“ verläuft.

(Symbolbild)